Vaterlandsverrat statt Friedhofsruhe

Aufruf zur Desertation


a machine gun
in the forehead
the killing flower blooms

        (Haiku von Saitô Sanki)

Was würde passieren, wenn die UkrainerInnen nicht mit Waffen gegen Russland kämpfen würden? Der Krieg würde aufhören und das Sterben würde aufhören. Die Unfreiheit für die, die sich dem regierenden System in der Ukraine verbunden fühlen, würde, in den von Russland beherrschten Teilen der Ukraine, zunehmen. Die Unfreiheit nimmt aber auch im Zuge der Militarisierung im nicht von Russland besetzten Teil zu, von der Gleichschaltung der Medien, über ausufernde Parteienverbote, bis hin zu Sprachpolitiken und der Unterdrückung der russischsprachigen Minderheit. Freiheit ist nur im Frieden zu erkämpfen und sie erfordert immer Aufwand.
Aber jede Nation hat doch ein Recht auf Selbstverteidigung? Nein, Menschen haben ein Recht auf Selbstverteidigung. Eine Nation, noch dazu eine, die wie die Ukrainische mit Gewalt Menschen zum Militärdienst und zum Morden und Sterben zwingt, welches Recht soll das sein? Nationen sind gewaltsam erzeugte Zwangskollektive. Und Zwangsrekrutierung zum Krieg ist nichts anderes als Massenmord. Führt nicht die Kriege der Herrschenden!
Es gilt, was Emma Goldmann, unter Bezug auf Tolstoi, zum Patriotismus ausgeführt hat:

Leo Tolstoi, der größte Gegner des Patriotismus unserer Zeit, definiert ihn als das Prinzip, das die Ausbildung für den Mord auf breiter Basis zu rechtfertigen erlaubt; ein Handwerk, das bessere Ausrüstung zum Mord erfordert als zur Herstellung der Lebensnotwendigkeiten wie Schuhe, Bekleidung und Häuser; [...]
Die Behauptung, daß eine stehende Armee und eine Flotte die beste Garantie für den Frieden sind, ist ebenso logisch wie die Annahme, der friedfertigste aller Bürger sei jener, der schwer bewaffnet herumläuft. [...]
Patriotismus [...] ist ein künstlich geschaffener Aberglaube [...]; ein Aberglaube, der den Menschen seiner Selbstachtung und Würde beraubt und seine Arroganz und Überheblichkeit fördert.

(Patriotismus - Emma Goldmann)

Und es gilt auch heute noch, was Tucholsky 1931 schrieb:

Da gab es vier Jahre lang ganze Quadratmeilen Landes, auf denen war der Mord obligatorisch, [...]. Sagte ich: Mord? Natürlich Mord. Soldaten sind Mörder.

(Der bewachte Kriegsschauplatz - Kurt Tucholsky)

Es gibt nur eine ehrenhafte Handlung für Soldatinnen und Soldaten im Dienst einer Nation(1), welcher Nation auch immer, zu desertieren!


— Ein Anarchist —, Juli 2022

Ende





Fußnoten

(1) — Menschen, die den NS im 2ten Weltkrieg bekämpft haben, haben, soweit dies tatsächlich ihr primäres Ziel war, nicht im Dienst einer Nation gekämpft, sondern einer Sache. Wenn Menschen Israel verteidigen, um die dort lebenden JüdInnen vor einem antisemitischen Völkermord zu schützen, gilt gleiches. Dies als einer Nation zugehörige SoldatIn zu tun, führt aber dazu, dass sich fast immer unter die berechtigten Ziele weitere mischen, selbst in diesen Ausnahmefällen der Bekämpfung massenmörderischer Gewalt. In 'normalen' Kriegen verfolgen Staaten aber keine eliminatorischen Gewaltziele und es geht auch keiner Partei um Menschenrechte, einzig Machtinteressen von Staaten und Staatsmacht anstrebenden AkteurInnen sind relevant. Dies gilt für den Irakkrieg genauso, wie für die Kriege im Jemen oder in der Ukraine. Die Grausamkeiten dieser Kriege sind Effekt dieser Kriege, aber nicht das Ziel. Das schnellste Mittel den Mord zu beenden ist hier die Beendigung der Kriege. Den Krieg in der Ukraine mit dem Vernichtungskrieg des NS (Unternehmen Barbarossa) gegen die Sowjetunion zu vergleichen ist NS-Verharmlosung. Die Gewalt der russischen Armee im Ukrainekrieg entspricht der Gewalt aller 'normalen' Kriege, vergleichbar z.B. dem Verhalten der deutschen Armee im 1. Weltkrieg in Belgien. Dies ist der 'normale' Wahnsinn des Krieges, der gerade zeigt, dass es in diesem keine ehrenhafte Seite gibt. Im Ukrainekrieg z.B. zu sehen am Beispiel des ASOW-Regiments, das die Zivilbevölkerung Mariupols als Schutzschild nutzte. Militärisch taktisch hat dies funktioniert, aber zu behaupten, dass Ziel wäre gewesen, Mariupol zu verteidigen, ist Propaganda. Die Stadt wurde von der ukrainischen Führung bewusst geopfert, um die russische Armee möglichst lange vor Ort zu binden. Als Gegenbeispiel eines Militärs, dem das Leben der Menschen tatsächlich etwas bedeutete, sei hier auf den Rückzug der KurdInnen aus Afrin im Syrienkrieg verwiesen, um gerade die völlige Zerstörung der Stadt zu vermeiden.



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Aktualisiert 22.05.2023